Die Macht der Himmelskinder von risuma-night-blue (Ein etwas anderer Krimi; SetoxJoey) ================================================================================ Kapitel 42: Gebrochene Herzen ----------------------------- Die Enttäuschung, dass Seto nicht ebenfalls mit in den Hubschrauber stieg, schmerzte Joey mehr, als alle seine Wunden zusammen. Teilnahmslos ließ er die Versorgung seiner Wunden über sich ergehen und zuckte nicht einmal zusammen, obwohl einiges ziemlich schlimm aussah. Der Hubschrauber brachte ihn zurück nach Domino-City ins Krankenhaus, denn die Sanitäter wollten, dass er dort noch einmal untersucht wurde. Sie wollten sicher gehen, dass sie nichts übersehen hatten. Einsilbig beantwortete Joey die Fragen nach seinen Verletzungen, die Verwunderung der Ärzte und Pfleger entging ihm vollkommen. Er brauchte die Nacht nicht im Krankenhaus verbringen, außer den äußeren Verletzungen hatte er keine weiteren Verletzungen davon getragen. Joey ließ sich ein Telefon geben, denn sein Handy hatte er im Hotel gelassen. Aber das war ihm auch recht so, so brauchte er niemandem Rechenschaft über sein Handeln abzulegen. Die Nummer von Duke hatte er nicht, aber im Blue-Eyes konnte er schon anrufen, da war jemand. Und er hatte Glück, Duke war schon da und ging selbst an den Apparat. „Hi, Duke, hier ist Joey. Kannst du mich vom Krankenhaus abholen?“, fragte er seinen Kollegen mit müder Stimme. Duke schluckte kurz, so hatte er Joey noch nie gehört. „Aber sicher kann ich das. In einer dreiviertel Stunde bin ich da. Geht das in Ordnung?“ Joey nickte, doch dann fiel ihm auf, dass Duke das ja nicht hören konnte. „Ja, ich warte unten beim Eingang auf dich.“ Joey war erleichtert, dass Duke ihn abholen würde – was weiter kam war noch offen, doch eines wusste er, zu Seto wollte er nicht... Duke war entsetzt, als er die vielen Verbände sah, die Joey zierten, aber noch mehr trafen ihn die stumpfen Augen, die ihn müde anblickten. „Kann ich für ein paar Tage zu dir kommen?“, bat Joey leise. Er hatte keine Kraft für irgendwelche Konversation, nur das lebenswichtige musste geregelt werden. Eigentlich traf es sich gut, dass seine Schwester nicht hier war, er würde ihre Art jetzt nicht ertragen können... Joey überlegte kurz, als er feststellte, dass er Setos Wohnungsschlüssel noch in seiner Hosentasche hatte. „Können wir noch einen kurzen Abstecher machen? Ich muss nur noch kurz was erledigen.“ Duke blickte seinen Kollegen prüfend an und nickte. „Aber sicher, alles was du willst.“ Irgendetwas war geschehen, das war nicht zu übersehen, und er würde alles tun, was Joey gerade verlangte – er, der sonst stets ein kleiner Sonnenschein war. Duke fuhr mit Joey zu Setos Wohnung. „Soll ich mit reinkommen?“, erkundigte er sich besorgt. Joey schüttelte den Kopf. „Nein, das schaff ich alleine.“ Mit müden Schritten betrat Joey den Hauseingang und ließ einen ziemlich verwirrten Duke zurück. Dieser hatte nur eine Erklärung: James Bond musste etwas Grauenvolles zugestoßen sein, an Tod wollte er gar nicht erst denken, denn sonst wäre Joey, der in der letzten Zeit so richtig aufgeblüht war, nicht so am Boden zerstört. Er würde keine Fragen stellen, so, wie er Joey kannte, würde er von alleine zu reden anfangen. Mit schwerem Herzen betrat Joey die Wohnung, in der er die letzte Zeit gelebt hatte und glücklich gewesen war. Nein, hier konnte er nicht mehr bleiben – Seto hatte ihn zu sehr enttäuscht. Joey ging in sein Zimmer und holte seine Kleider aus dem Schrank. Auch wenn er es nachträglich bezahlt hatte, die Kleidung die Seto ihm gekauft hatte sortierte er aus und legte sie fein säuberlich zusammengelegt aufs Bett. Dann suchte er sich eine Tasche und packte all sein Hab und Gut hinein. Zuletzt ging er in die Küche, suchte sich Papier und Stift und schrieb ein paar Zeilen. ----------- Seto, du willst MEINE Hilfe nicht – dann brauch ich DEINE Hilfe auch nicht. Joey ------------ Joey legte den Hausschlüssel auf das Blatt, nahm seine Sachen und zog die Haustüre hinter sich zu. Er stieg zu Duke in das Auto und endlich lösten sich die Tränen, die die ganze Zeit seine Brust zusammengeschnürt hatten. Duke sah sich in seiner Vermutung bestätigt, und fuhr erst einmal schweigend nach Hause. Er öffnete Joey die Tür, und zeigte ihm, wo er schlafen konnte, doch dann musste er sich erst einmal vom ihm verabschieden. „Einer von uns Beiden muss ja arbeiten.“, meinte er entschuldigend. Joey nickte und ließ sich auf die Couch fallen. Duke erwachte, weil der Geruch frisch gekochten Kaffees in seine Nase stieg. Wer kochte denn hier Kaffee? Soweit er sich erinnerte, war er alleine ins Bett gegangen... Ach ja, Joey war für ein paar Tage bei ihm, und hatte auf der Couch geschlafen, als er nach Hause kam. Gähnend reckte er sich, stand auf und ging in seine Küche. „Guten Morgen, Joey.“, begrüßte Duke seinen Gast. „Guten Morgen, Duke.“, antwortete Joey freundlich. „Wie du siehst, hab ich alles Lebensnotwendige für ein ’Frühstück’ schon gefunden.“, meinte Joey lächelnd, doch das Lächeln erreichte nicht seine Augen. Sie waren zwar nicht mehr so stumpf wie am Abend, erkannte Duke, doch nun funkelte ein Licht darin, dass er zuvor noch nie wahrgenommen hatte... Nachdem die Beiden ihr erstes ’Frühstück’ zu sich genommen hatte, begann Joey ohne eine Frage von Duke abzuwarten. „Wir hatten gestern einen Kampf, gegen einen riesigen Drachen, den haben wir gerade so gewonnen, doch Seto ist immer noch der Ansicht, dass er keine Hilfe nötig hat.“, meinte Joey verbittert. „Statt mit mir ins Krankenhaus zu fliegen, hat er lieber auf starken Mann gemimt, mich mit allen Sanitätern ins Krankenhaus abgeschoben, obwohl seine Verletzungen weitaus schlimmer waren. Dann soll er doch sehen, wie er alleine klar kommt, aber ich lass mich nicht länger wie ein kleines Kind von ihm behandeln – und zu meinem eigenen Schutz von ihm einsperren, wie er behauptet.“ Joeys Stimme wurde immer eisiger und Duke zuckte leicht zusammen. Sooo kannte er Joey nun wirklich noch nicht. „Und sollte der Kerl es wagen, im Blue-Eyes nachzufragen, wo ich bin, dann weißt du es nicht.“ Joey zerriss es innerlich, aber im Moment konnte er nicht anders. Er wollte nicht von Seto gefunden werden... Von Liebe reden, aber alles nur als eine Einbahnstraße zu betrachten... das war nicht sein Verständnis von Liebe... ~~~ Zwei Tage später schloss Seto seine Wohnungstür auf, eher hatte er es nicht geschafft nach Hause kommen. Obwohl seine Abteilung den Fall dort übernommen hatte, schienen die Fragen und Berichte endlos zu sein. Zu allem Überfluss hatte er doch noch, den dort ansässigen, Arzt aufsuchen müssen. Tanaka hatte darauf bestanden, er kannte Kaiba inzwischen gut genug um zu wissen, das dieser freiwillig nie einen Arzt aufgesucht hätte. Joeys Schwester und sein Bruder wurden am selben Tag noch zurück geflogen, sein Chef wollte verhindern, dass die Reporter über die Beiden herfielen. Das konnte niemand gebrauchen und so wurden sie erst einmal abgeschirmt. Mokuba wurde in einem Krankenhaus untersucht, doch außer der körperlichen Erschöpfung und den Verletzungen am Handgelenk, war diesem weiter nichts passiert. Jetzt war Seto endlich zu Hause und freute sich auf Joey – hoffte, dass dieser nicht allzu enttäuscht war. Aber Seto hatte es nicht fertig gebracht, bei ihm zu bleiben und seinen Worten Taten folgen zu lassen. Gleich als er seine Wohnung betrat, merkte Seto, das etwas anders war als sonst. Zielstrebig ging er in Joeys Zimmer und sah die Sachen, die er ihm gekauft hatte, auf dem Bett liegen. Ein Blick in den Schrank sagte ihm, dass die anderen Sachen weg waren. Sollte Joey wirklich gegangen sein? Das glaubte er nicht, bisher war Joey immer geblieben, warum sollte er es jetzt nicht? Seto ging in die Küche um sich einen Kaffee zu kochen. Schon beim betreten der Küche stach ihm der Zettel auf dem Tisch ins Auge und der Schlüssel, der auf diesem lag. Mit bangen Herzen nahm er den Zettel und las ihn durch. Kraftlos ließ sich Seto auf einen Stuhl nieder, das durfte nicht wahr sein – Joey war weg, er war wirklich gegangen. Seto wusste genau worauf diese Worte anspielten, er dachte, er hätte es Joey vorher erklärt, warum er so handelte. ‚Idiot’, schalt er sich innerlich, ‚Du hättest bei ihm bleiben müssen.’ Er erinnerte sich an den enttäuschten Blick Joeys, und wusste mit einem Mal, das er etwas aufs Spiel gesetzt hatte, das er nie wieder in seinem Leben finden würde. Joey hatte ihm bedingungslos alles gegeben, was er empfand, er hatte nie Forderungen gestellt. Und was hatte er, Seto, gemacht? Ihn bei der erst besten Gelegenheit verraten, anders konnte er sein eigenes Verhalten nicht nennen. Joey war das Wichtigste in seinem Leben geworden und er hatte ihn im Stich gelassen. Hoffentlich hatte er ihn nicht für immer verloren – Seto war fest entschlossen, Joey zurück zu gewinnen. Ihm war klar, dass es nicht einfach würde, doch Joey war jede Anstrengung – ohne Frage – wert. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, das es noch früh genug für einige Telefonate war, die Seto auch sogleich führte. Nach einer unruhigen Nacht stand Seto schon sehr früh auf, er hatte viel zu erledigen. Als erstes suchte er Truemann, den Notar auf, setzte diesen davon in Kenntnis, dass sein Bruder noch lebte und leitete alles Nötige in die Wege, damit dieser sein Erbteil bekäme. Nachdem das erledigt war, fuhr Seto zu einem bekannten Autohändler, gab seinen Maserati zur gründlichen Überholung ab und bekam als Ersatz einen großen, schnellen, Geländewagen. Mit diesem fuhr er wieder in die Berge. Nach weiteren zwei Tagen kehrte Seto zufrieden nach Domino City zurück. Dort hatte er noch einige Termine mit einem Architekten, der eine Immobilie nach seinen Wünschen fertig stellen sollte. Wieder zu Hause, duschte Seto ausgiebig und sah danach seine Post durch. Ein Brief aus dem Polizeilabor war dabei, verwundert öffnete er ihn. Dieser Brief enthielt die wissenschaftliche Bestätigung, das Mitsuki Okayama sein vermisster Bruder Mokuba Kaiba war. Dann war noch ein Brief seiner Dienststelle dabei, in diesem wurde ihm, mit tiefen Bedauern, seine Kündigung bestätigt. In seinem Zimmer packte Seto schnell ein paar Sachen zusammen, nachdem er alles in seinem Auto verstaut hatte, fuhr er zu Joeys Schwester. Zwischendurch hatte er immer wieder versucht Joey zu erreichen, doch der war wie vom Erdboden verschwunden. Duke, Joeys Kollege, hatte ihm gesagt, dass er auch nicht wusste, wo Joey war. Aber er hatte sich die Nummer von Seto mit dem Versprechen aufgeschrieben, sich zu melden, wenn er etwas über Joeys Verbleib wüsste. Serenity suchte Seto auf, weil er wusste, dass sich sein Bruder dort befand, denn er wollte ihm etwas geben. Seto war sich klar darüber, das die jüngsten Ereignisse für Mokuba verwirrend sein mussten. Seto wollte ihm außerdem auch die entsprechende Zeit lassen, um darüber nachzudenken oder sich zu erinnern. Einfacher wäre es sicher gewesen, wenn ihr Elternhaus noch stehen würde, doch das tat es nicht mehr – nur ein kleiner trauriger Teddy war übrig geblieben und den wollte Seto seinem Bruder bringen. Etwas nervös stand Seto nun vor der Haustür Serenitys – wie würde wohl Mokuba reagieren? Wichtiger noch, wie würde Serenity reagieren? Joey hatte bestimmt mit ihr geredet – aber da musste er durch, er hatte keine andere Wahl. Serenity öffnete die Tür und sah verblüfft Seto an. „Du?“, begrüßte sie ganz erstaunt ihren Gast. „Ich will zu Moku... Mitsuki oder ist es nicht recht?“, fragte Seto etwas nervös. Serenitys Gesicht überzog eine leichte Röte, sie hatte ganz vergessen, dass ihr Freund, der Bruder Setos war. „Nein, natürlich nicht, komm herein.“, bat sie freundlich. Seto betrat die Wohnung und blieb im Flur stehen. „Würdest du ihn bitte herholen?“, bat Seto leise, er hatte nicht vor lange zu bleiben. Serenity nickte, ging ins Wohnzimmer um Mitsuki Bescheid zu sagen. Wenig später erschien dieser im Flur, betretenes Schweigen lag zwischen ihnen – Keiner wusste so recht, was er sagen oder wie er reagieren sollte. Seto ergriff das Wort. „Ich hab mir nie Gedanken darüber gemacht, was sein wird, wenn ich dich finde. Auf die Idee, dass du dein Gedächtnis verloren haben könntest, bin ich nie gekommen. Das war unverzeihlich von mir...“, hilflos hielt Seto seinem Bruder den kleinen Teddy entgegen, „...er war dein Lieblingskuscheltier. Er ist das einzige, was übrig geblieben ist. Vielleicht hilft er dir.“ Der Schwarzhaarig nahm den Teddy entgegen und schluckte, er wollte antworten, doch da stand Seto schon wieder an der Tür und sah ihn an. „Lass dir Zeit... ich habe genug davon...“, Seto hatte die Tür schon geöffnet, hielt aber noch mal inne. „...Joey ist nicht zufällig hier?“, fragte er leise. Mitsuki schüttelte den Kopf. „Nein, ist er nicht. Serenity weiß auch nicht, wo er ist.“ Seto nickte, es wäre ja auch zu schön gewesen. „Danke...“, sagte er leise, „...wir sehen uns.“ Mit diesen Worten schloss Seto die Tür. Jetzt wollte er im Blue-Eyes vorbeischauen – wenn er Glück hatte, war Joey dort, er liebte seinen Job. Seto hoffte einfach, das Joey da war. ~~~ Die Tage, die Joey bei Duke verbrachte, verliefen recht ereignislos. Er konnte Dukes PC benutzen, so konnte er seine E-Mails abrufen. Aber eigentlich hatte Joey gar keine rechte Lust dazu, und so blieb der PC die ganze Zeit aus. Im Nachhinein empfand er es ziemlich praktisch, dass er sein Handy im Hotel vergessen hatte. Seto würde ihn sonst gewiss die ganze Zeit mit Anrufen bombardieren, doch er war noch nicht dazu bereit, mit ihm zu reden. Genau aus diesem Grund meldete Joey sich auch nicht bei seiner Schwester, denn dort würde Seto gewiss mit Sicherheit nach sehen, ebenso wie im Blue-Eyes... Immer, wenn Joey an Seto dachte, verhärtete sich sein Gesicht. Nein, er konnte Seto nicht verzeihen, dass er ihn einfach fortgeschickt hatte, obwohl er genauso schwer verletzt war. Aber nachts, wenn Joey schlief, rollten nur so die Tränen sein Gesicht hinunter. Es zerriss immer noch sein Herz, er liebte Seto so sehr, und doch konnte er ihm nicht verzeihen. Duke zerriss es das Herz, Joey so leiden zu sehen. Immer, wenn er nachts nach Hause kam, fand er den im Schlaf weinenden Joey vor, doch am Tage war Joey stets verbittert. So konnte es nicht weitergehen – Joey hatte keinen Appetit, lebte nur noch von Kaffee und Alkohol... seine Haare wurden stumpf, seine Augen hatte ihren Glanz verloren, und der fröhliche, immer zu einem Spaß bereite, Arbeitskollege war längst Vergangenheit. Im Blue-Eyes wurde jeden Abend aufs Neue nachgefragt, wann denn Joey von seinem Urlaub zurück wäre... „Was hältst du davon, wieder arbeiten zu gehen?“, erkundigte sich Duke am fünften Morgen. Die schwarzen Augenringe Joeys waren absolut kein schöner Anblick beim Frühstück, oder auch sonst, wenn sie sich gegenüber saßen, und meistens anschwiegen. Joey schüttelte nur den Kopf. „Seto kommt mit Sicherheit im Blue-Eyes vorbei. Ich will ihn nicht sehen.“, blieb Joey stur. „Aber du musst was tun, schau dich doch mal im Spiegel an, du bist nur noch ein wandelndes Abbild deiner selbst, eine lebende Leiche.“ Ein wenig übertrieb Duke jetzt gerade zwar, doch Joey sah wirklich nicht besonders gut aus. Und er hoffte, dass ein wenig des alten Feuers in Joeys Augen zurückkehren würde, wenn er seine Füße erst wieder ins Blue-Eyes gesetzt hatte. „Nein, ich geh nicht ins Blue-Eyes.“ Damit war für Joey die Diskussion erledigt, doch nicht für Duke. Er ging einkaufen und kam mit einigen ganz besonderen Dingen wieder. „Hier, du gehst jetzt erst einmal duschen, ich hab dir ne Spülung für deine Haare mitgebracht, die musst du eine halbe Stunde drin lassen, und ein ganz besonderes Duschgel, das kauf ich mir immer, wenn ich mir mal selbst etwas Gutes tun will. Du kannst natürlich auch baden...“ Joey ließ sich von Duke dazu überreden, und ließ sich warmes Wasser in die Badewanne ein. Vorher wusch er sich schnell unter der Dusch die Haare und brachte die Spülung auf. Genüsslich ließ er sich in die Schaumbedeckte Wanne sinken, und schloss die Augen. Passender Weise hatte er im Bad eine Uhr gefunden, die er genau auf dreißig Minuten stellen konnte... Als die Uhr klingelte, öffnete Joey seine Augen und wusch sich die Spülung aus den Haaren. Das war schon eine komische Spülung, wunderte sich Joey, als eine dunkle Brühe aus seinen Haaren kam. Er trocknete sich ab, stellte sich vor den Spiegel... und ein markerschütternder Schrei tönte durch Dukes Wohnung. Zufrieden grinste Duke und wartete im Wohnzimmer auf seinen Kollegen. Wutschnaubend kam Joey, nur mit einem Handtuch bekleidet, ins Wohnzimmer gestürmt und brüllte Duke an. „WAS. HAST. DU. MIT. MEINEN. HAAREN. GEMACHT?“ „Sieht doch gut aus.“, grinste Duke und duckte sich gleichzeitig. Der erste Teil seines Planes war aufgegangen, Joey war längst nicht mehr so teilnahmslos, wie noch vor kurzer Zeit. „Keine Angst, ich hab dir nur eine Tönung mitgebracht. Mit jedem Haare waschen geht wieder etwas der Farbe heraus. Du wolltest doch sooo, wie du jetzt warst, nicht ins Blue-Eyes gehen... jetzt erkennt dich dein Seto nicht gleich auf den ersten Blick, und du kannst dich gut vor ihm verstecken. Außerdem hab ich noch eine Brille mit Fensterglas mitgebracht... du wirst sehen, kein Mensch erkennt dich...“, versuchte Duke ihn zu locken. Joey grummelte ziemlich laut, und ging zurück ins Bad und zog sich saubere Kleider an. Zu seinem Leidwesen musste er feststellen, dass er NUR Kleider besaß, die für das Blue-Eyes geeignet waren. So hatte er noch nicht einmal eine Ausrede, denn Dukes Sachen würden ihm nicht passen, da dieser ein wenig schlanker als er war... Seufzend fügte Joey sich in sein Schicksal, und stellte fest, dass Duke recht hatte – die gefärbten Haare, etwas anders frisiert, dazu die Brille... Joey Wheeler gab es nicht mehr... „Und wie soll ich jetzt heißen?“, erkundigte er sich neugierig bei Duke. „Du bist mein Cousin Katsuya, und zurzeit bei mir zu Besuch. Und nun komm – wir müssen los.“ Das war zwar nicht ganz richtig, doch Duke setzte darauf, dass Joey sein Denken ausgestellt hatte, und ihm einfach brav wie ein Hündchen folgen würde. Joey atmete tief durch, als sie das Blue-Eyes betraten. Es war viel geschehen, seit er das letzte Mal hier gewesen war, auch wenn es noch gar nicht so lange her war, wie er feststellen musste. Vorsichtig folgte er Duke hinter die Theke, und bekam gerade noch so mit, wie er seinem Chef vorgestellt wurde. Dieser musterte ihn einen Augenblick etwas merkwürdig, doch dann begrüßte er Joey als neuen ’Mitarbeiter’ des Blue-Eyes. Solange Joey noch nicht wieder arbeiten kam, konnte er jede Hilfe gebrauchen. Und Duke hatte ihm versichert, dass sein Cousin Cocktails zubereiten konnte. So war er zufrieden, und verzog sich wieder in sein Büro. ~~~ Seto saß in seinem Wagen und starrte auf den Eingang des Blue-Eyes. Er dachte an die letzten Tage und Nächte. Die Tage waren kein Problem gewesen, da hatte er genug um die Ohren und keine Zeit nachzudenken, aber in den Nächten, da rumorten seine Gedanken unablässig. Er vermisste Joey, er fehlte ihm... Es fehlten ihm Joeys bedingungslose Liebe, seine Berührungen, seine Küsse – einfach alles – sein Wesen, seine Art Dinge zu sehen oder anzupacken. Seto sehnte sich nach seiner Nähe. Dass ihm das einmal passieren und er sich so verlieben könnte, hatte er nie gedacht, schon gar nicht, dass er einen Mann lieben würde. Er liebte Joey, er wollte mit ihm Zusammensein... für immer. Hoffentlich gab Joey ihm noch einmal eine Chance, wenn nicht, hatte Seto es sich selbst zu zuschreiben. Aufseufzend zog Seto den Schlüssel aus dem Zündschloss, stieg aus, schloss den Wagen ab und ging, mit Flugzeugen im Bauch, in den Club. Dort würde sich heute seine Zukunft entscheiden... Entschlossen betrat Seto das Blue-Eyes und mit klopfenden Herzen steuerte er die Bar an. Schnell stellte Seto fest das Joey nicht da war, er sah nur Duke und einen ihm unbekannten Mann, mit schwarzen Haaren und einer dicken Brille. Der Typ trug seine Haare brav gescheitelt, er krasser Gegensatz zu der Frisur die Duke trug. Auf diesen steuerte Seto nun zu und sprach ihn an. „Hey Duke, kann ich dich kurz sprechen?“ „Ah, hallo James Bond.“, begrüßte Duke Seto. „Einen kleinen Augenblick, dann hab ich kurz Zeit für dich.“ Duke machte seine Bestellungen fertig, und gab erst Mal an Joey ab. „Katsuya, ich bin kurz nebenan, wenn etwas ist, dann ruf mich.“ Damit kam Duke hinter der Theke vor und zog Seto zum Nebenzimmer. „Du wolltest mich sprechen?“ Duke ging automatisch zum Du über, da Seto von selbst damit angefangen hatte. Seto kam gleich auf den Punkt. „Hast du was von Joey gehört? Oder weißt du, wo er ist?“, fragte er direkt, aber freundlich. Duke schaute Seto durchdringend an. „Und was willst du von ihm, wenn du ihn gefunden hast?“ „Ich will ihn zurück.“, sagte Seto schlicht. „Wenn du deine Augen richtig aufmachst, wirst du ihn finden.“, antwortete Duke unergründlich. Verwirrt sah Seto ihn an. „Kannst du nicht deutlicher werden? In letzter Zeit hatte ich genug Rätsel, mehr sind wirklich nicht nötig.“, seufzte Seto. „Nein, mehr kann ich dir nicht sagen.“, antwortete Duke. „Tut mir leid, dass du von Rätseln die Nase voll hast. Aber dieses wirst du noch lösen müssen.“ „Ich möchte, das er zu mir zurück kommt.“, seufzte Seto leise. „Da musst du dich aber anstrengen, von alleine wird er nicht zurückkommen. Du musst ihn schon finden.“, entgegnete Duke ernst. „Das ist mir auch klar geworden, ich weiß auch, dass ich mich wie ein Idiot benommen habe. Aber ich kann es nicht rückgängig machen.“, gab Seto schon fast verzweifelt zurück. „Du schaffst das schon, wenn du ihn wirklich liebst.“, meinte Duke zuversichtlich. „Du hast recht.“ Seto wandte sich wieder zum gehen um, überlegte es sich aber noch einmal anders. „Danke Duke.“ Zurück in der Bar, bat Seto Duke noch um einen Martini. Während er seinen Martini trank, fiel sein Blick immer wieder auf dessen Kollege, etwas störte Seto an der Person, aber gleichzeitig war ihm diese Person auch irgendwie vertraut. Nachdem er seinen Drink ausgetrunken und bezahlt hatte, verließ Seto das Blue-Eyes wieder. Gerade als er sein Auto aufschließen wollte, traf ihn die Erkenntnis wie ein Blitz. „Oh man, Kaiba, du bist so ein Idiot.“, schalt er sich selbst. Auf dem Hacken machte er kehrt, ging in den Club zurück, setzte sich an die Bar und bestellte bei dem Neuen einen weiteren Martini. Er ließ ihn nicht mehr aus den Augen. „Schon lange hier?“ fragte er den Barkeeper neugierig. Eigentlich wollte Joey Seto ja ignorieren, aber das war gar nicht so einfach. Als er hereinkam, konnte er gerade noch so der Versuchung widerstehen, ihn direkt anzusehen. Als Seto seinen Martini trank, fiel es ihm noch schwerer, doch jetzt, da er zurückgekommen war, und ihn direkt angesprochen hatte, da konnte er ihn nicht mehr so einfach ignorieren. „Nein, ich bin heute zum ersten Mal hier.“, antwortete Joey mit verstellter Stimme und hoffte, dass seine Tarnung nicht aufflog. „Erst seit heute? Dann kennen sie nicht zufällig den blonden Barkeeper, der hier sonst gearbeitet hat?“, erkundigte Seto sich weiter. Joey schluckte. „Nein, den kenne ich nicht, ich hab ihn noch nie gesehen.“ „Schade.“, meinte Seto bedauernd, „Einen besseren Menschen als ihn, habe ich nie kennen gelernt.“ Ein trauriges Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Er ist ein so viel besserer Mensch als ich, es geschieht mir recht, das er von mir nichts mehr wissen will.“ „Warum will er denn nichts mehr von ihnen wissen?“ Joey konnte nicht widerstehen, Gespräche an der Bar gehörten nun mal mit zum Beruf des Barkeepers. Außerdem wollte er zu gern wissen, was Seto dazu antworten würde. Seto trank einen Schluck seines Martinis, setzte das Glas behutsam ab, und sah auf seine Hände, als er antwortete. „Nur weil ich nicht über meinen Schatten springen konnte, habe ich ihn enttäuscht und verletzt. Dank meines dummen Stolzes, habe ich das Wertvollste in meinem Leben verloren.“, wieder trank Seto einen Schluck und sah sein Gegenüber über den Rand des Glases an. „Jetzt kann ich ihn nicht finden, kann ihm nicht sagen, wie unendlich Leid es mir tut. Kann ihm nicht sagen, wie sehr ich ihn vermisse, wie sehr ich ihn brauche.“ Wieder lächelte Seto traurig. „Dumm, dass man immer zu spät bemerkt, wie wichtig jemand für einen war.“ „Ja, das ist wirklich dumm, aber leider oft so im Leben. Erst wenn man etwas verloren hat, weiß man erst, was man hatte.“, nickte Joey zustimmend. „Aber meinen sie denn, dass es reicht ihm zu sagen, dass sie ihn vermissen und ihn brauchen? Wie wollen sie ihn davon überzeugen, dass sie es ernst meinen? Dass sie über ihren Schatten springen können?“ „Nein, Worte werden nicht reichen, das weiß ich. Ich weiß auch, das ich mich nicht von heut auf morgen ändern kann, aber ich kann damit beginnen.“ Seto stand auf, ging hinter die Theke, trat dicht an seinen Gesprächspartner heran. Liebevoll sah er ihn an, nahm ihm die Brille ab, strich ihm sanft durch das Gesicht. „Ich liebe dich Joey, ich kann nur hoffen, dass du mir verzeihst und mehr als das, kann ich im Augenblick nicht tun.“ Zaghaft berührten seine Lippen Joeys. „Für mehr brauche ich deine Hilfe.“, raunte er. Joeys Herz schlug bei Setos Worten immer schneller, und als Seto aufstand und hinter die Theke kam, konnte er nur erstarrt stehen bleiben und ihn wie hypnotisiert anschauen. Widerstandslos ließ Joey sich von Seto die Brille abnehmen und küssen. Stumm sah er Seto an. „Wenn du nichts mehr von mir wissen willst, kann ich es verstehen.“, unsicher lächelte Seto, er deutete Joeys Verhalten als ein Nein. „Ich danke dir für die Zeit, die ich mit dir verbringen durfte.“ Traurig wandte Seto sich ab, bezahlte seinen Martini und ging. Wie konnte er auch nur annehmen, dass ein paar Worte und ein flüchtiger Kuss wieder alles ins Lot brachten. Er hatte Joey zutiefst verletzt, wie konnte er da erwarten, das dieser ihn mit offenen Armen wieder aufnahm. Aber mehr als ihm sein Herz zu geben, konnte er im Augenblick nicht tun, er wusste, dass er das dringend ändern musste, nur ohne Hilfe schaffte er es nicht. Wie in Zeitlupe lief vor Joey alles weitere ab. Er hörte nicht wirklich, was Seto sagte, Für ihn zählte einzig und allein die Tatsache, dass Seto sich durch die Verkleidung nicht hatte täuschen lassen. Mit großen Augen blickte er Seto hinterher, und erst langsam drang in sein Bewusstsein, WAS Seto gerade gesagt hatte. „Wenn du nichts mehr von mir wissen willst, kann ich es verstehen. Ich danke dir für die Zeit die ich mit dir verbringen durfte.“ Hatte sich Seto da gerade von ihm verabschiedet? So richtig? Schluss gemacht? Als die Tür hinter Seto am zufallen war, kam langsam Bewegung in den erstarrten Joey. So schnell er konnte rannte er hinter Seto her. „Seto. Warte. Geh nicht.“ Seto blieb stehen und drehte sich um, fragend sah er Joey an. Tränen liefen über Joeys Gesicht. „Schick mich nicht schon wieder weg.“ „Dich wegzuschicken ist das letzte, was ich tun möchte. Joey, ich will das du bei mir bleibst, für immer, aber wie kann ich das erwarten? Ich habe all das getan, was ich dir immer vorgeworfen habe. Alles was ich dir vorhin gesagt habe stimmt, du bist ein soviel besserer Mensch als ich. Ich verdiene dich nicht.“, entgegnete Seto mit erstickter Stimme. „Ich will doch auch, dass du bei mir bist. Aber es hat so wehgetan, dass du mich fortgeschickt hast, nicht bei mir geblieben bist. Warum?“ Das letzte Wort schrie Joey fast aus sich heraus. „Weil ich nicht den Mut hatte zu dir zu stehen.“, beantwortete Seto leise seine Frage. „Es war mir plötzlich unangenehm, einen Mann zu lieben. Um es deutlich zu sagen... ich war zu feige zu meinen Gefühlen und zu dir zu stehen.“ „Das soll deine Entschuldigung sein?“, Joey spie es fast aus. „Dir geht es doch nur um deinen verdammten Stolz, zu stolz um Hilfe anzunehmen. Dich hat es doch noch nie geschert, was andere von dir dachten. Ein Seto Kaiba kann alles alleine, hat immer alles im Griff, braucht niemals die Hilfe von irgendwem, und schon gar nicht von dem Menschen, den er angeblich liebt. Und außerdem ist ein Seto Kaiba ja auch angeblich unverwundbar. Nimm dir doch deinen verdammten Stolz und wickle dich in ihn ein. Vielleicht hält er dich ja warm.“ Immer noch enttäuscht drehte Joey sich um und machte sich auf den Weg zurück. „Joey warte, bitte. Du hast ja recht, jedes Wort stimmt, aber ich habe bisher damit gelebt, es ist ein Teil von mir. Wenn du dich erinnerst, habe ich dir gesagt, dass ich mich verändert habe. Glaubst du wirklich, ich bin glücklich damit? Aber dieser Stolz hat mich funktionieren lassen, er hat mir geholfen nicht einfach aufzugeben. Hätte ich diesen verdammten Stolz nicht, wäre ich schon längst nicht mehr am Leben.“, Seto hatte sich in Rage geredet. „Er hat mich fast fünfzehn Jahre meines Lebens begleitet, ich kann ihn nicht von heute auf morgen loswerden. Ich kann dir auch nicht versprechen, dass er nie wieder auftaucht. Ich weiß nur eins, ohne deine Hilfe, kann ich es überhaupt nicht.“ Atemlos sah er Joey an, „Ich kann es ohne dich nicht... ich kann es nicht.“ Inzwischen liefen ihm die Tränen über sein Gesicht. Wenn Joey das nicht verstand, war es endgültig vorbei und diese Erkenntnis traf ihn tief in seinem Innern. Für Joey wollte er sich ja ändern, aber es brauchte seine Zeit. Langsam drehte Joey sich wieder um. Längst taten ihm seine Worte leid, wenn er nicht auf Dauer unglücklich sein wollte, dann musste er wohl lernen, dass Seto seine Hilfe nie annehmen würde. Lieber ein Seto, der seine Hilfe nicht annahm, als gar kein Seto, das war wohl die einzige Alternative die er hatte. „Ich habe nie gelernt Hilfe anzunehmen oder um sie zu bitten. Darum habe ich bisher immer alles möglichst selbst gemacht.“, setzte Seto leise hinterher. „Ich helf dir gern dabei, es zu lernen, wenn du mich lässt.“, sagte Joey warm. Zögernd ging Joey auf Seto zu. Würde er sich jetzt von ihm helfen lassen? Er hoffte es sooo sehr... Seto rannen seine Tränen immer noch übers Gesicht – es schien, als würden sich all die unterdrückten Tränen der vergangenen Jahre ihre Bahn brechen. Joey kam zögernd heran. Hilflos blickte Seto ihn an, durfte er ihn wirklich einfach umarmen? So fragte er ihn zögernd: „Hast du etwas dagegen, wenn ich mich an dich lehne?“ In seinem Tränenverschleierten Blick, war die Furcht vor einer Ablehnung zu lesen. Joey breitete seine Arme aus, und lud Seto zu sich ein. Hier hatte er seine Antwort – Seto war bereit Hilfe anzunehmen, auch einmal Schwäche zu zulassen. Dankbar nahm Seto diese Einladung an, umarmte ihn und vergrub sein Gesicht an Joeys Schulter. Hemmungslos weinte er sich an Joeys Schulter aus, mit diesen Tränen wurde ein Grossteil seiner negativen Gefühle fortgespült und machten dadurch Platz für die Liebe. Joey streichelte Seto immer wieder über seinen Kopf und über den Rücken, und schämte sich seiner Tränen nicht, die ebenfalls reichlich flossen. Er streichelte seinen Freund, mitten auf offener Straße, und bot ihm den Halt, den er so dringend brauchte. So standen sie gewiss eine halbe Stunde, weinend, einander tröstend und sich nicht darum kümmernd, was die anderen Menschen auf der Straße darüber dachten. Duke kam einmal neugierig aus dem Blue-Eyes heraus, weil er herausfinden wollte, was nun mit den Beiden geschehen war. Als er sie so umschlungen auf der Straße stehen sah, zog Duke sich leise zurück und ließ den Dingen ihren Lauf. So, wie es aussah, waren die Beiden auf dem besten Weg, es diesmal richtig zu machen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)